Charlotte

Und wieder eine neue Erwachsenheit

Liebe Charlotte,

manchmal schaffst du es doch noch, uns zu erstaunen. Eben noch trödelst du am Frühstückstisch herum und erforschst die Sämigkeit von Marmeladentoast nach dem 45. Kauvorgang. Dabei schäkerst du mit deinem glucksprustenden Bruder, fragst mich, warum ich heute unbedingt arbeiten gehen müsse und balancierst gleichzeitig deine immerhin halbvolle Safttasse auf dem offenen Honigglas. Ein Mann wäre an solch geballtem Multitasking-Unfug glatt gescheitert.

Jedenfalls waren wir recht ungehalten. Wir schickten euch ins Kinderzimmer, um beim Kaffeeaustrinken den Vormittag zu besprechen. Als wir Dich wiedersahen, hattest du dir aus drei noch einzuräumenden Klamottenstapeln auf dem Kinderzimmertisch ein Frühlingsoutfit für den Tag zusammengebastelt und alles fix und fertig schon angezogen. Unaufgefordert. Du fragtest beiläufig, ob alles denn so richtig sei und warum wir bitteschön nix hingelegt hätten.

Wir haben schon einige Erwachsenheiten von Dir erlebt, oftmals in Form einer wundervoll-einmaligen Satzkonstruktion, die wir viel zu selten aufschreiben. Aber heute haben wir wieder mal beide richtig gestaunt. Und später - als ihr längst Euren Tagesgeschäften gegangen seid - waren wir uns einig, dass es kein reines Staunen war, dass uns heute Vormittag im Kinderzimmer befiel. Es war auch ein Scheibe von der Erkenntnis dabei, dass diese Staunereien so schnell nicht wieder aufhören und wohl bald und viel zu schnell darin münden, dass Du Texte wie diesen hier selbst lesen kannst.

Deshalb ist er - man weiß ja nie - auch in Briefform geschrieben.

Dein Papa

Herzwärmendes

Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, mit zwei Dritteln unserer Kinder telefonieren zu können. Gewohnt, ihre Gesichter beim Sprechen beobachten zu dürfen und auf etwaige Frechheiten mit prompten Kitzelstrafen nicht unter einer halben Minute zu reagieren, fehlt mir bei der Beschränkung auf das reine Wort doch einiges.

Die nur unwesentlich Ältere schien dies heute bemerkt zu haben. Oder sie fühlte ähnlich. Jedenfalls frug sie am anderen Ende der Strippe ihre sie telefonbegleitende Omi, als das herzwärmende Gespräch seinem Ende neigte:
Wo kann ich hier eigentlich auf dem Telefon küssen?

Wortneuschöpfung am Sonntag

Papa, kannst du mal bitte den Ballon aufluften?

(Obwohl, so ganz neu ist das wohl auch wieder nicht.)

Modisch

Es war heute Morgen irgendwie beruhigend, als unter den ziemlichen coolen verwaschenen Kinder-Jeans noch eine ziemlich uncoole weiße Strumpfhose - weit über den Bauchnabel hochgezogen übrigens - hervorblitzte.

Bibi

Die folgende Geschichte hat nichts mit dem Blocksberg oder der alltäglichen Zuwendung eines Kindes zu einem Plüschtier zu tun. Nein, es geht hier um wahre Liebe.

Bibi ist knallegelb, hat zwei alienartige Fühler am Kopf und hieß bis zu seiner gnadenlosen Verniedlichung zu Anfang noch Baby. Und wenn ich Kopf schreibe, heißt das nicht, das Bibi noch einen Körper und Arme und Beine und sowas hat. Bibi ist ein Kopf (mit Fühlern) und ein daran anschließender quadratischer Lappen, dessen vier Ecken zu je zwei Bein- und Armknoten umfunktioniert wurden.

Tagsüber wohnt Bibi bei uns. Wahlweise sitzt es dann auf der Flurbank, schlummert im Puppenwagen oder steckt noch immer an seinem festen Frühstücksplatz in der Küche fest. Denn - das muss man wissen - Bibi isst natürlich immer mit der Familie.
Bisher habe ich der Versuchung aber noch immer widerstanden, Bibi mit einem launigen Spruch mal einen Knochen hinzuwerfen.

Wenn das Lottchen von der Arbeit nach Hause kommt, ist ihr Bibi erst einmal egal. Spätestens aber wenn die erste Tränerei im Gange ist, schallet alsbald ein weinerlich-hilferufendes "Bibi, wo bist du?" durch die Zimmer. Wenn wir dann Glück haben, läuft Lotte zu Bibi und es ward gut.

Haben wir Pech, läuft Lotte vermeintlich zu Bibi, kommt dann zurück und fragt: "Wo ist eigentlich Bibi?" In den meisten Fällen bedeutet diese Frage, das ein Familienmitglied verschwunden ist. Denn Bibi hat neben ihren Stammplätze auch die entnervende Angewohnheit, ständig neue Verstecke auszuhecken. Manchmal denken wir, dass Lotti Bibi beim Spielen irgendwo platziert und dann einfach vergisst. Aber das stimmt nicht: Bibi versteckt sich.

Wir haben Bibi schon aus der Waschmaschine befreit, nachdem Lotte verängstigt vor dem rotierenden Bibi-Gesicht in unserer frontladenden Waschmascheine kauerte. Wir haben Bibi mal aus einem fast nie benutzten zuknöpfbaren Wandbehang und vom tiefsten Grund des Bausteine-Kartons befreit. Die Idee, überhaupt dort zu suchen, zähle ich übrigens nach wie vor zu meinen größten Denkleistungen der jüngeren Geschichte.

Aber im Moment ist Bibi mal wieder weg. Schon zwei Tage lang. Ich konnte mich noch beherrschen, aber bald werde ich selbstgedruckte Suchzettel an die Baustämme in der Nachbarschaft kleben und im größten Notfall auch vor einem Einsatz des großmütterlichen Suchpudels nicht zurückschrecken. Bibi muss wiederkommen!

Wenn Lotti dann im Bett liegt, und mit Grauen eine weitere bibilose Nacht erwartet, wenn sie schon ahnt, warum wir vor dem Gutenachtkuss noch einmal lächelnd aus dem Zimmer gehen und uns kurz darauf mit einem breiten Grinsen und hinter dem Rücken verschränkten Armen vor ihr aufbauen, wenn sie dann langsam aufsteht und ihre schlafbereiten, aber zutiefst erwartungsvollen Gesichtszüge jedem besseren Bildlexikon als Definition für Freude gelten könnten; wenn sie ihre verschollene Liebe dann sanft in den Arm nimmt und wortlos strahlend in die Kissen sinkt - dann sind wir für alle Mühen hundertfach belohnt worden.

Ein identisches Zweitbibi werden wir uns trotzdem anschaffen.

Herbst-Tattoo deluxe

tattoo

Wortschöpfungen am Mittwoch

Bachnaubel, der: schöneres Wort für Bauchnabel
Laschwappen, der: lustigeres Wort für Waschlappen

Donnerwecker!

ich, laut: Wenn du jetzt nicht hörst passiert ein Donnerwetter!
sie, lauter: Donnerwecker!
ich, lacht: Donnerwetter!
sie, lacht: Donnerwecker!

Familienfreitag (4)

Es ist merkwürdig. Ich bin zweierlei nicht: ein unsicherer Autofahrer und dauerredend. Aber das Lottchen muss heute Nachmittag entweder meinen Fahrstil als sehr gewöhnungsbedürftig oder meine Konversationsintensität als ungenügend empfunden haben. Anders lässt es sich für mich nicht mehr erklären, dass sie nach einer Viertelstunde Fahrzeit ein wenig zögerlich frug:

"Papa wach?"

Familienfreitag (2)

Mittag. Auf dem Tisch: Königs-Spaghetti. Mama hatte sich durch Herrn Mälzer inspirieren lassen, heute feierte das neue Gericht Premiere. Es ist aufgedeckt, die Kerzen brennen, die Erwartungen sind groß, der Appetit noch größer. Fast zeitgleich nimmt die Familie den ersten Happs. Der erste Kommentar kommt von Charlotte. Kurz bevor sie den zweiten Löffel im Mund versenkt hat, bequemt sie sich, der bis dato stolzen Köchin ein gerade noch vernehmbares, nicht sonderlich betontes, dafür aber herrlich lakonisches kann man essen ins erwartungsvolle Gesicht zu pfeffern.

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