Bibi

Die folgende Geschichte hat nichts mit dem Blocksberg oder der alltäglichen Zuwendung eines Kindes zu einem Plüschtier zu tun. Nein, es geht hier um wahre Liebe.

Bibi ist knallegelb, hat zwei alienartige Fühler am Kopf und hieß bis zu seiner gnadenlosen Verniedlichung zu Anfang noch Baby. Und wenn ich Kopf schreibe, heißt das nicht, das Bibi noch einen Körper und Arme und Beine und sowas hat. Bibi ist ein Kopf (mit Fühlern) und ein daran anschließender quadratischer Lappen, dessen vier Ecken zu je zwei Bein- und Armknoten umfunktioniert wurden.

Tagsüber wohnt Bibi bei uns. Wahlweise sitzt es dann auf der Flurbank, schlummert im Puppenwagen oder steckt noch immer an seinem festen Frühstücksplatz in der Küche fest. Denn - das muss man wissen - Bibi isst natürlich immer mit der Familie.
Bisher habe ich der Versuchung aber noch immer widerstanden, Bibi mit einem launigen Spruch mal einen Knochen hinzuwerfen.

Wenn das Lottchen von der Arbeit nach Hause kommt, ist ihr Bibi erst einmal egal. Spätestens aber wenn die erste Tränerei im Gange ist, schallet alsbald ein weinerlich-hilferufendes "Bibi, wo bist du?" durch die Zimmer. Wenn wir dann Glück haben, läuft Lotte zu Bibi und es ward gut.

Haben wir Pech, läuft Lotte vermeintlich zu Bibi, kommt dann zurück und fragt: "Wo ist eigentlich Bibi?" In den meisten Fällen bedeutet diese Frage, das ein Familienmitglied verschwunden ist. Denn Bibi hat neben ihren Stammplätze auch die entnervende Angewohnheit, ständig neue Verstecke auszuhecken. Manchmal denken wir, dass Lotti Bibi beim Spielen irgendwo platziert und dann einfach vergisst. Aber das stimmt nicht: Bibi versteckt sich.

Wir haben Bibi schon aus der Waschmaschine befreit, nachdem Lotte verängstigt vor dem rotierenden Bibi-Gesicht in unserer frontladenden Waschmascheine kauerte. Wir haben Bibi mal aus einem fast nie benutzten zuknöpfbaren Wandbehang und vom tiefsten Grund des Bausteine-Kartons befreit. Die Idee, überhaupt dort zu suchen, zähle ich übrigens nach wie vor zu meinen größten Denkleistungen der jüngeren Geschichte.

Aber im Moment ist Bibi mal wieder weg. Schon zwei Tage lang. Ich konnte mich noch beherrschen, aber bald werde ich selbstgedruckte Suchzettel an die Baustämme in der Nachbarschaft kleben und im größten Notfall auch vor einem Einsatz des großmütterlichen Suchpudels nicht zurückschrecken. Bibi muss wiederkommen!

Wenn Lotti dann im Bett liegt, und mit Grauen eine weitere bibilose Nacht erwartet, wenn sie schon ahnt, warum wir vor dem Gutenachtkuss noch einmal lächelnd aus dem Zimmer gehen und uns kurz darauf mit einem breiten Grinsen und hinter dem Rücken verschränkten Armen vor ihr aufbauen, wenn sie dann langsam aufsteht und ihre schlafbereiten, aber zutiefst erwartungsvollen Gesichtszüge jedem besseren Bildlexikon als Definition für Freude gelten könnten; wenn sie ihre verschollene Liebe dann sanft in den Arm nimmt und wortlos strahlend in die Kissen sinkt - dann sind wir für alle Mühen hundertfach belohnt worden.

Ein identisches Zweitbibi werden wir uns trotzdem anschaffen.

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